Der erste Umbau
Das Gut Wiepersdorf mit Wirtschaftsgebäuden, Herrenhaus, Orangerie und Park hat in den sieben Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg einige Wandlungen ertragen müssen. Dazu gehören Umbauten und Benennungen: 1946 Haus der „Deutschen Dichterstiftung“, 1950 „Arbeitsstätte für Geistesschaffende“, 1956 „Erholungsstätte der Intelligenz“, 1965 „Arbeits- und Erholungsstätte für Kultur- und andere Geistesschaffende - Bettina-von-Arnim-Heim“, „Arbeits- und Erholungsstätte für Schriftsteller und Künstler - Bettina von Arnim" und schließlich „Künstlerhaus".
Nach der Bodenreform traf am 20. Dezember 1947 als erster Gast der „Dichterstiftung“ der Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Hans Gerhard Weiss (1902-1982) aus Hellerau ein: Alles war denkbar primitiv, obwohl es keine Decken, kein Klosett im Haus, kein Nachtgeschirr und nur eine Glühbirne für die Tischlampe“ gab, erfüllte ihn „die Atmosphäre des Hauses mit Begeisterung. In dem 2012 im Ch. Links Verlag Berlin erschienenen Buch „Schloss Wiepersdorf" berichtet Friederike Frach über den ersten großen Umbau. Wir zitieren daraus mit freundlicher Genehmigung der Autorin: In den Entwürfen für die Renovierung des Hauses, die ab Herbst 1952 umgesetzt wurde, lassen sich gravierende Veränderungen für Ausstattung und Einrichtung des Schlosses erkennen ... Während des Umbaus wurden die sanitären Einrichtungen zwar erweitert, die Situation blieb jedoch weiterhin angespann ... In den Renovierungsprotokollen ist dokumentiert, dass ein Windfang und eine neu gestaltete Treppe in die Obergeschosse ausgeführt wurden. Die Küche wurde in den Seitentrakt verlegt, und der Speisesaal befand sich von nun an im Untergeschoss. Es entstanden acht neue Räume im Hauptgebäude, und die Durchgangszimmer wurden beseitigt ... Am
1. Juli 1953 wurde das Haus unter dem neuen Namen „Erholungsheim der Intelligenz“ wieder eröffnet. In der Verbandszeitschrift Der Schriftsteller hieß es: Durch die Verordnung des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik vom 1. April 1953 ist Wiepersdorf dem Deutschen Schriftsteller-Verband als Arbeitsstätte übergeben worden. Dieser kulturell so bedeutsame Beschluss des Ministerrates gibt dem Schriftsteller die Möglichkeit, in einer für Geistesschaffende besonders geeigneten Stätte seine Arbeiten ohne jede Störung durch äußere Einflüsse durchzuführen ... Max Zimmering (1909-1973) schrieb im September 1953: Trotz aller Modernisierung hat das Schlößchen natürlich seinen Charakter beibehalten. Er freute sich, dass im Obergeschoss zwei Klubräume zur Verfügung waren, und berichtete von der Aussicht auf Renovierung der Orangerie, die bislang als Abstellplatz genutzt wurde.
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Der zweite Umbau
1955 pachtete der „Schriftstellerverband der DDR“ die „Villa Berglas“ in Petzow am Schwielowsee als Schriftstellererholungsheim „Friedrich Wolf“. Die Nazis hatten den Juden Alfred Berglas 1938 enteignet und das Anwesen weiterverkauft. 1955 konnte es die Garantie- und Kredit-Bank AG erwerben. Am 1. Januar 1955 pachtete der Schriftstellerverband der DDR die Anlage von der Bank für 20.000 M im Jahr und richtete das Schriftstellerheim ein. 1956 wurde das Grundstück Volkseigentum und das Ministerium für Kultur der DDR Rechtsträger. Von da an existierte bis eigentlich 1990 der Nutzungsvertrag Ministerium-Schriftstellerverband. Mit Petzow bekam Wiepersdorf Konkurrenz, zumal das Haus nur renommierte Schriftsteller aufnahm, und außerdem mit bequemer Anreise und einer idyllischen Lage am Wasser aufwarten konnte. Wurden in Wiepersdorf bisher (und bis heute) „die schlechte Verkehrsanbindung und das Fehlen einer Bademöglichkeit“ (auch bis heute) bemängelt, kritisierten die „zurzeit im hiesigen Erholungsheim Wiepersdorf weilenden etwa 20 Angehörigen der Intelligenz“ in einem Schreiben vom 28. Juli 1956 an Kulturminister Johannes R. Becher nun auch den desolaten Zustand von Herrenhaus, Orangerie, Park, Skulpturen und Grabstätten.
Zwei Jahre später begann ab November 1958 ein Architektenkollektiv mit der Modernisierung. Dazu gehörten sanitäre Einrichtungen und Innengestaltung. Die „moderne“ Möblierung für die Gästezimmer lieferten die „Deutschen Werkstätten Hellerau“. Am 27. Oktober 1959 wurde das Haus wieder „in Betrieb genommen“. In den folgenden Jahren verzeichnet das Gästebuch u.a. Christa und Gerhard Wolf, Hildegard Maria Rauchfuß, Gisela Karau, Sarah und Rainer Kirsch, Maxie Wander, Peter Edel, Erik Neutsch, Kurt Schwaen, Friedrich Dieckmann, Irmtraud Morgner, Fred Düren, Helfried Schöbel, Renate Blume, Christa Jankowiak, Volker Braun, aber auch der in der DDR lebende Oskar von Arnim (1900-1969). Er ist Mitarbeiter des Staatlichen Rundfunks der DDR, Sohn von Annois von Arnim (1865-1942) und Margaret Friederike Adolfine Klara von Schauroth (1872-1915) und Cousin von Friedmund von Arnim und Bettina Encke von Arnim.
Personelle Veränderungen im „Institut für Denkmalpflege der DDR“ führten am 21. November 1963 zu einem erstaunlichen Bericht: „Eine Begehung der Räume ergab, dass die ehemals beabsichtigte Verbindung von moderner und historisch gewachsener Einrichtung völlig zerstört worden ist. Die alten Ausstattungsstücke sind zum Teil aus den Räumen entfernt und auf den Boden gebracht worden und andere Stücke sind in ihrer Substanz beschädigt und an einem anderen Ort aufgestellt worden. Es ist zu überprüfen, ob das gesamte Inventar an wertvollen Möbeln noch vorhanden ist.“
Bettina von Arnim-Heim
Am 4. Oktober 1969 „übermittelte das Zentralkomitee der SED der Schriftstellerin Genossin Lore Mallachow die herzlichsten Grüße und Glückwünsche zum heutigen 75. Geburtstag“, und würdigte damit (ihrem „lange gehegten Wunsche folgend“) ihren Weg von der Literaturwissenschaftlerin zur Schriftstellerin. Begonnen hatte es mit „Bettina – Ein Lesebuch für unsere Zeit“. Mit diesem Buch, 1953 im ursprünglich KPD-eigenen Thüringer Volksverlag Weimar erschienen, hatten Gerda Bergner, Lore Mallachow und Gertrud Meyer-Hepner das Augenmerk auf die sozialkritischen Positionen von Bettina von Arnim gelenkt. Über diese (einseitigen) Vorgaben wurde letztendlich die Wiederentdeckung der romantischen Literatur in der DDR ermöglicht.
Lore Mallachow (1894-1973) gehörte neben Georg Maurer (1907-1971), Anna Seghers (1900-1983) und Hildegard Maria Rauchfuß (1918-2000) zu den ersten Gästen der „Deutschen Dichterstiftungf“. In einem Brief vom 2. August 1952 heißt es: „Haus und Park sind wunderbar gepflegt, nichts stört die Harmonie, keine Plakate etc. Es ist schon ein Juwel.“ Bereits 1952 hatte sie im Verlag Das Neue Berlin die Miniatur „Bettina“ veröffentlicht. Ein Jahre später fungierte sie als Herausgeberin eines Lebensbildes von „Annette von Droste-Hülshoff“ im Verlag Koehler und Amelang Leipzig. Es folgten „Du bist mir nah“, ein Roman über Christiane Vulpius (1957) sowie „Clara Zetkin: Ihr Leben in Bildern“ im Verlag Enzyklopädie Leipzig (1961).
Lore Mallachow war im Geschäft. Zum 180. Geburtstag von Bettina von Arnim am 4. April 1965 und der Umbenennung des Hauses in „Bettina von Arnim-Heim, Arbeits- und Erholungsstätte für Kulturschaffende“ hielt die Gedenkrede nicht die Seghers, was nahegelegen hätte, sondern Genossin Mallachow. Zu ihrem Leidwesen brachte das Ministerium für Kultur der DDR die geplante Broschüre (für Wiepersdorf-Kenner die „Gelbe“) mit ihrem Redetext erst drei Jahre später heraus, was die Verfasserin am 1. Juni 1968 Anna Seghers schriftlich angekündigte. Eine Stellungnahme der Autorin des weltberühmten Romans „Das siebte Kreuz“ ist nicht bekannt.
Es kam der VIII. Parteitag der SED im Jahr 1971 und mit ihm der Übergang von Walter Ulbricht zu Erich Honecker. Danach wurden „umfangreiche Bauarbeiten zur Rekonstruktion und Restaurierung der ehemaligen Wirkungsstätte der Arnims“ beschlossen. Begonnen wird damit erst 1975. Die Dokumente machen deutlich: Es gibt kein Konzept. Haus für Kulturschaffende oder Gästehaus des Ministeriums? Die unterschiedlichen Anforderungen führen „zu einschneidenden Eingriffen in die überlieferte, einfache Raumstruktur des Hauptgebäudes“. Betroffen sind auch Orangerie, Gartenparterre und Park mit den Skulpturen. Irgendwie einigt man sich auf eine „schöpferischen Denkmalpflege“.
In der nachfolgenden PDF können Sie den Text von Lore Mallachow aus besagter Broschüre von 1968 im Original nachlesen.