Auf der nachfolgenden PDF finden Sie das Kapitel "Bettina und Walther Encke" aus der Magisterarbeit "Die Herrschaft Wiepersdorf im 20. Jahrundert" von Jürgen Stich, 1997.
Jeden Sonnabend öffnet sich das Heim des Polizeimajors Walther Encke zu einem allgemeinen Empfang. Ob jeder willkommen ist? Das nicht gerade. Der Kreis, der sich hier zusammenfindet, ist von sehr unterschiedlichem Charakter. Man entdeckt die verschiedensten Typen und Anschauungen. Menschen aus allen Gesellschaftskreisen. Ein gewisser Grundton herrscht aber wohl doch vor: Man sucht in diesem Kreis ehrlich nach klarer Erkenntnis – mitten im Wirrwarr der Zeiten und Verhältnisse …
So beginnt ein „Berliner Brief“, der am 20. Januar 1933 in der dänisch-deutschen Zeitung „Flensborg Avis“ unter der Überschrift „Unter Deutschen in Berlin – Kann die Katastrophe vermieden werden?“ erschienen ist. Der Artikel gibt Auskunft über das Wirken von Bettina und Walther Encke in Berlin und die während ihres Jour fixe besprochenen Themen. Wir veröffentlichen das Dokument mit freundlicher Genehmigung von Frau Petra Heymach auf der nachfolgenden PDF.
Friedrich Karl Walther Encke wurde am 13. August 1893 als Sohn eines evangelischen Vermessungsrates in Hildesheim geboren, der später als Beamter in Bochum Dienst tat, wo Encke aufwuchs. Auch die beiden Großväter waren Beamte gewesen. Nach dem Abitur studierte Walther Encke in Marburg Medizin. Er schloss sich der Burschenschaft Germania an, aus der er später, längst „Alter Herr“, wieder austrat. Zunächst verlief sein Leben jedoch ganz in den Bahnen, die den jungen Akademikern im späten wilhelminischen Kaiserreich vorgezeichnet waren. Encke brach sein Studium nach sieben Semestern ab und meldete sich kriegsfreiwillig. Als Angehöriger des elitären Garde-Schützen-Bataillons kämpfte er ab März 1915 im Elsass, ab November 1916 im Rang eines Leutnants in Mazedonien, wo er einige Wochen später ein erstes Mal verwundet wurde. (6)
Wie für viele andere war der Krieg für Encke mit dem Waffenstillstand vom 11. November 1918 nicht zu Ende. Als Freikorpskämpfer nahm er im Baltikum am Feldzug gegen „den Bolschewismus“ teil. Die Beschränkung der militärischen Stärke Deutschlands infolge des Versailler Friedensvertrags zog die Ausmusterung eines großen Teils der Freiwilligen-Einheiten nach sich. Parallel dazu entschlossen sich die neuen Gewalten, die Polizei durch „ Sicherheitswehren“ zu ergänzen, denen sich viele frühere Freikorpsleute anschlossen. Die stark militarisierten Sicherheitswehren wurden unter dem Druck eines alliierten Ultimatums im Herbst 1920 aufgelöst und teilweise in die neu geschaffene Schutzpolizei überführt. Es war keineswegs ungewöhnlich, daß Walther Encke die Gelegenheit nutzte, als früherer Armee-Offizier in den Polizeidienst überzuwechseln.
Möglicherweise stand diese Entscheidung auch im Zusammenhang mit der bevorstehenden Hochzeit. Am 8. Mai 1921 heiratete Encke Bettina von Arnim, Urenkelin der berühmten namensgleichen sozialkritischen Schriftstellerin, Gattin des romantischen Dichters Achim von Arnim und Freundin Goethes. Walther Encke hatte Bettina durch ihren Bruder, seinen Kriegskameraden Friedmund von Arnim, kennengelernt. Die Tatsache, daß die Hochzeit nicht auf dem elterlichen Gut in Zernikow, sondern in dem ebenfalls im Familienbesitz befindlichen Wiepersdorf stattfand, deutet auf eine gewisse Distanz derer von Arnim zu der Verbindung Bettinas mit dem „Bürgerlichen“ Encke hin. Jedenfalls gab es offenkundig im Vorfeld der Vermählung eine Verstimmung zwischen beiden Elternpaaren. Die Beziehung des Ehepaars zu Enckes Schwiegereltern kann aber nicht schlecht gewesen sein. Die beiden Töchter Gunhild und Ortrud, geboren 1922 und 1923, weilten bis zu ihrer Einschulung häufiger in Zernikow, während Walther und Bettina sich in Berlin aufhielten, und lebten in ihrer Gymnasialzeit ganz bei der Großmutter.
Eine ausführliche Würdigung von Walther Encke veröffentlichten die Historiker Prof. Dr. Peter Brandt und Prof. Dr. Axel Kellmann 1996 im "Jahrbuch des Vereins für die Geschichte Berlin". Auf der nachfolgenden PDF finden Sie den Originaltext.
Ein „radikaldemokratischer“ Berliner Polizeioffizier am Ende der Weimarer Republik