Tradition heißt nicht, Asche bewahren, sondern eine Flamme am Leben erhalten. Deshalb gründete ich, die Witwe des letzten Besitzers von Schloss Wiepersdorf, am 3. Oktober 1991 einen Freundeskreis, als ich hörte, dass Wiepersdorf wiederum Künstlerhaus werden sollte.
Dieser Satz von Clara von Arnim steht am Anfang der 1993 erschienenen Broschüre „Erinnerungsstätte Achim und Bettina von Arnim“.
Zu den Fakten gehört, dass im September 1990 aus dem „Kulturfonds der DDR“ die „Stiftung Kulturfonds“ der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Berlin mit einem Kapital von 92 Millionen DM gegründet wurde, und die bisherige „Arbeits- und Erholungsstätte für Schriftsteller und Künstler“ in Wiepersdorf bis 1994 als „Künstlerhaus“ bestehen bleiben wird.
Gleichzeitig diskutierte der Arnimsche Familienverband am 18. und 19. August 1990 in Bonn über „Rechtslage, Ergänzung zum Staatsvertrag und die politischen Gegebenheiten“. Im Mittelpunkt die Frage: „Welche für uns günstigste Lösung ist denkbar und was müssen wir dafür tun?“ Am 29. August 1990 nannte der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim die beabsichtigte Einschränkung von Artikel 14 Grundgesetz durch den neuen Artikel 143 „einen Verfassungsskandal“, weil Enteignungen der Bodenreform nicht mehr rückgängig gemacht werden sollten.
Flankiert wurde das alles mit rührseligen Erinnerungen von Clara von Arnim (1909-2009), der einstigen und letzten Gutsherrin von Zernikow, Bärwalde und Wiepersdorf, die in Zusammenarbeit mit ihrem Sohn Peter Anton von Arnim (1937-2009) niedergeschrieben wurden und unter dem Titel „Der grüne Baum des Lebens“ 1989 im Scherz Verlag erschienen waren. Am 7. September 1990 beantragte Clara von Arnim die Rückübertragung des Gutes Wiepersdorf auf sie als Alleinerbin ihres 1946 verstorbenen Mannes Friedmund von Arnim.
Heute ist es mühsam, darüber zu streiten, ob Clara von Arnim die Absicht hatte, Wiepersdorf wieder privat zu nutzen, vielleicht nicht Herrenhaus, Orangerie und Park, aber doch Felder und Wälder. Anders als in Neuhardenberg, wo der Hausherr aktiven Widerstand gegen den Nationalsozialismus leistete und daher von den Nazis enteignet wurde, konnte in Wiepersdorf diesbezüglich kein Restitutionsanspruch abgeleitet werden. Erst 1998 erklärte Clara von Arnim die Rücknahme ihres Rückübertragungsanspruchs, veranlasste symbolisch „die Übertragung wichtiger Teile des literarischen Nachlasses an die Stiftung Weimar Klassik und verzichtet zu Gunsten der Allgemeinheit auf wertvolle, ihr zustehende Kulturgüter“.
Mitte Mai 1992 wurde in Frankfurt am Main der „Freundeskreis Schloss Wiepersdorf - Erinnerungsstätte Achim und Bettina von Arnim“ gegründet. Den Vorsitz übernahmen Clara von Arnim und Prof. Dr. Hartwig Schulz (*1941) vom Freien Deutschen Hochstift. Damit sollte „die Initiative Brandenburgs vor allem ideell, möglichst auch finanziell unterstützt werden. Es geht darum, in einigen Schlossräumen eine Erinnerungsstätte zum literarischen Wirken von Achim und Bettina zu gestalten. Erhaltene Möbel und Bilder könnten nach Wiepersdorf zurückgeführt, später auch Veranstaltungen für unsere Mitglieder dort angeboten werden“.
Was sich in Wiepersdorf tatsächlich „abspielte“, wird aus einem Brief von Clara von Arnim vom 18. Juni 1992 deutlich: „Sobald die Räume in Ordnung, d.h. gestrichen und geputzt, bitte ich folgende Gegenstände aus dem Haus schon hineinbringen zu lassen:
1.) Das Bettina-Bild, den Schreibtisch, den Spiegel, den Glasschrank
2.) Alles was nach Schloß Homberg ausgeliehen war (Bitte eine Liste)
3.) Das Schreibpult, das im kleinen Zimmer, in dem ich übernachtete, stand.
4.) Die Sofa-Garnitur, welche beim letzten Besuch im re Zimmer I. Stock (zur Auffahrt hin) stand, dazu ein im Stil passender runder (evt. ovaler) Tisch.
5.) Wo sind meine schönen Esszimmerstühle? (2 sind in der Kirche)
6.) Der Ofen, auch in diesen Raum in die Ecke, natürlich nicht angeschlossen.
7.) Wäre irgendwo ein Nähtischchen für den Salon?
Ich lege einen Plan auf Millimeterpapier ein, wie ich mir die Einrichtung denke.“
Tatsache ist, dass Jürgen Stich, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Hauses, die Einrichtung der Erinnerungsstätte maßgeblich betreute, unterstützt von der vom Künstlerhaus beauftragten Gestalterin Christa Rackwitz, die sich um Möbelaufarbeitung, Bilderrahmung, Stoffe, Hussen, Vorhänge und Dokumentation kümmerte. Die handwerklichen Arbeiten erfolgten durch die Mitarbeiter. Aus dem Etat des Künstlerhauses wurden die Rechnungen für Maler, Parkett, Dielen, Elektrik, Beleuchtung, Ton- und Mikroanlage sowie Isolierung und Aufarbeitung der maroden Fenster bezahlt.
Da Clara von Arnim und Hartwig Schulz zum Bettina-Thema „Dies Buch gehört dem König“ ein „passendes Ölgemälde mit dem Portrait von Friedrich Wilhelm IV.“ wünschten, verhandelte Jürgen Stich mit Helmut Börsch-Supan von der Berliner Schlösserverwaltung, um ein derartiges aus dem Depot des Schlosses Charlottenburg als Leihgabe zu erhalten. Aus Frankfurt am Main wurden Glasvitrinen angeliefert, in denen auf Faksimile getrimmte Kopien von Dokumenten arrangiert wurden. „Erhaltene Möbel und Bilder, die nach Wiepersdorf zurückgeführt werden könnten“, kamen aus Frankfurt nicht an.
In diesen Wochen hätte ständig Theodor Fontane zitiert werden müssen, der bereits 1894 von seinem „vielgeliebten Adel“ abrückte: „Traurige Figuren, beleidigend unangenehme Selbstsüchtler von einer mir ganz unverständlichen Bornirtheit.“ Das trifft auf den Umgang des vom Haus Zernikow dominierten „Freundeskreises“ mit Direktion und Mitarbeitern von Wiepersdorf ebenso zu wie auf die „Behandlung“ von Ingo Erhart (1923-2015) und Petra Heymach.
Erklärt werden muss: Petra Heymach ist die Enkeltochter der Malerin Bettina Encke von Arnim, die 1895 als Tochter von Erwin Kühnemund (1862-1928) und Agnes (1874-1959) von Arnim auf Gut Zernikow geboren wurde. 1921 heiratete sie den Bürgerlichen Walther Encke. Nach dem Tod ihres Mannes zog sie 1941 aus der Berliner Wohnung in das märkische Herrenhaus, und erlebte, was sich dort bis 1947 abspielte. Ingo Erhart hatte nach dem Tod seines Vaters „hinter vorgehaltener Hand erfahren, dass sein Großvater Dr. Karl Erhart erfahren, ein „unehelicher“ Spross von Freimund von Arnim zu sein, dem ältesten Sohn von Achim und Bettina von Arnim. Beide, Petra Heymach und Ingo Erhart, hatten im Nachlass der 1971 verstorbenen Großmutter Bettina Encke von Arnim bisher unbekannte Aufzeichnungen entdeckt. Die Mitarbeit dieser beiden „Arnims“ wurde vom „Freundeskreis“ allerdings nicht gewünscht.
Bereits 1992 wäre es sinnvoll gewesen, dieses Material in den Räumen zu präsentieren, da es Bettina Encke von Arnim wesentlich zu verdanken ist, dass die „Deutsche Dichterstiftung“ einzog, Wiepersdorf gerettet und damit die Basis für das „Künstlerhaus“ geschaffen wurde – ein wesentlicher Aspekt der Hausgeschichte. Der „Freundeskreis“ aber setzte auf „Romantik“, auf das Dichterpaar Achim und Bettina und den Zusammenhang von Zernikow und Wiepersdorf.
Nicht zuletzt aus dieser einseitigen Geschichtsbetrachtung drängte Prof. Dr. Gerd Heinrich (1931-2012), zuständig für Brandenburgische Landesgeschichte an der FU Berlin, Jürgen Stich, die Magisterarbeit über „die Stunde Null“ in Wiepersdorf abzuschließen. Die Arbeit wurde am 13. Oktober 1997 vorgelegt und unter dem Titel „Die Herrschaft Wiepersdorf im 20. Jahrhundert“ im „Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte“ 2006 veröffentlicht.
Zunächst aber schrieb am 19. November 1992 Prof. Dr. Hartwig Schultz an den Vorsitzenden der „Stiftung Kulturfonds“ Eckhard Noack: „Nachdem der Freundeskreis im Jahre 1992 bereits über 30.000 DM und viel persönliches Engagement aufgebracht hat, um das kleine Arnim-Bettina-Museum einzurichten (und selbstverständlich auf jegliche Einnahmen aus Eintrittsgeldern verzichtet), wird es weiterer größerer finanzieller Anstrengungen bedürfen. Für die Finanzierung des wissenschaftlichen Kolloquiums zum Abschluss des Eröffnungsjahres bleibt deshalb kein Spielraum. Darf ich deshalb noch einmal auf meine Bitte um kostenlose Unterbringung der Teilnehmer in Wiepersdorf zurückkommen? Wie Sie wissen, hat das Land Brandenburg lediglich eine Teilfinanzierung zugesagt, und der Kostenplan sah eine indirekte Beteiligung der Stiftung Kulturfonds (durch kostenfreie Unterbringung) vor. Herr Hahn stellt mir jedoch eine Rechnung in Höhe von 6200 DM aus, die ich bislang nicht decken kann.“ Anmerkung: Der Antrag wurde am 25.11.1992 vom Stiftungsrat abgelehnt.
Um den Zusammenhang zwischen Zernikow und Wiepersdorf deutlich zu machen, ließ Clara von Arnim an der Kirchenmauer unmittelbar neben den Gräbern eine Tafel anbringen: „Zum Gedenken an Friedmund Ernst Freiherr von Arnim, geboren am 24. Mai 1897 Zernikow/Mark Brandenburg, gestorben am 13. Januar 1946 in Tula/Russland, letzter Herr auf Zernikow, Bärwalde und Wiepersdorf.“
Nach dem Tod von Clara von Arnim am 17. Mai 2009 übernahm Prof. Dr. Hartwig Schultz den Vorsitz des Freundeskreises. Ihm folgte im Jahr 2013 Dr. Norbert Baas (*1947). Er trat 1978 in den Auswärtigen Dienst und wurde nach Verwendungen als Botschafter in Tiflis, Seoul und Jakarta 2012 pensioniert. Inzwischen ist er neben den Diplomaten a. D. Joachim Bitterlich und Michael H. Gerdts Senior Advisor bei „Bohnen Public Affairs“, eine GmbH, die „Unternehmen, Verbände, Regierungsinstitutionen, Parteien, Nichtregierungsorganisationen und Länder im öffentlichen Raum positioniert“. Motto: „Wir unterstützen Sie im Dialog mit der Politik.“ – Lobbyist. Norbert Baas ist verheiratet mit Annabel von Arnim (*1965). Sie ist die Tochter von Achim (1931-1997) und Helga von Arnim geborene Zerbe (*1939). Dieser Achim von Arnim ist wiederum ein Sohn von Friedmund (1897-1946) und Clara von Arnim (1909-2009).
Nach der Amtsübernahme von Norbert Baas wurde aus dem „Freundeskreis Schloss Wiepersdorf - Erinnerungsstätte Achim und Bettina von Arnim“ vom 3. Oktober 1991 am 10. Juli 2015 der „Freundeskreis Schloss Wiepersdorf – Achim und Bettina von Arnim-Museum“. Mit dem Begriff „Museum“ werden Erwartungen geweckt, die nicht erfüllt werden können. In Wiepersdorf existiert weder eine wissenschaftliche Sammlung noch wird das Museum fachlich geleitet. Die in der Satzung des Freundeskreises verankerte „Förderung der wissenschaftlichen Erforschung und Aufbereitung des literarischen Nachlasses des Dichterehepaares Achim und Bettina von Arnim“ kann nur im Freien Deutschen Hochstift Frankfurt und bei der Klassik Stiftung Weimar vonstattengehen, da sich in deren Archiven die Originale befinden. Auch die längst überfällige Aufbereitung der Akten zur Gutsherrschaft und Gutswirtschaft (sowie Teilen des Familienarchivs) könnte nicht in Wiepersdorf erfolgen, da sich die Originaldokumente im Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam befinden.
Vorstand und Beirat des Freundeskreises im Jahr 2013:
Vorsitzender Dr. Norbert Baas (Botschafter a.D.)
Stellv. Vorsitzende Dr. Renate Moering (Freies Deutsches Hochstift), zurückgezogen Ende 2013
Stellv. Vorsitzender Dr. Holger Schwinn (Wiss. Mitarbeiter Brentano-Abteilung im Goethe-Haus Frankfurt), ab 2014
Schatzmeisterin Anja Leinweber, zurückgezogen 2013
Schatzmeisterin Olivia Franke M.A. (Kulturwissenschaftlerin), ab 2014
Petra Heymach (Kuratorin und Enkeltochter von Bettina Encke von Arnim)
Regina Seidler (Mitarbeiterin von Prof. Dr. Schultz)
Dr. Claudia Bamberg (Wiss. Mitarbeiterin Germanistik und Kunstwissenschaften, Neuere deutsche Literatur, Philipps-Universität Marburg)
Prof. Dr. Wolfgang Bunzel (Leiter Brentano-Abteilung im Goethe-Haus Frankfurt)
Dr. Christian Ehler MdEP (EVP-Fraktion)
Philipp von Knebel (Steuerberater)
Dr. Petra Maisak (Goethe-Haus Frankfurt).
In den Jahren 2016 und 2017 erfuhren Vorstand und Beirat des Freundeskreises folgende Veränderungen:
Vorsitzender Dr. Norbert Baas (Botschafter a.D.)
Stellv. Vorsitzende Dr. Friedrike Frach (Kulturwissenschaftlerin)
Olivia Franke M.A.
Regina Seidler ("als weiteres Vorstandsmitglied")
Dr. Claudia Bamberg
Prof. Dr. Wolfgang Bunzel
Dr. Christian Ehler MdEP
Philipp von Knebel
Dr. Friedrich Dieckmann (Publizist)
Aus dem Freundeskreis zurückgezogen haben sich inzwischen:
Dr. Holger Schwinn, 2016
Petra Heymach, 2016
Dr. Petra Maisak, 2016
Da Prof. Dr. Wolfgang Bunzel neben der Leitung der Brentano-Abteilung im Goethe-Haus Frankfurt zusätzlich den Aufbau des Brentano-Hauses in Oestrich-Winkel übernommen hat, wird er für Wiepersdorf nicht zur Verfügung stehen. Damit existiert ein Freundeskreis, dem die Wissenschaftler abhanden gekommen sind. Das ist bedauerlich. Holger Schwinn hat erst 2016 einen fundamentalen Beitrag zu "Achim von Arnim als Bauherr, Landwirt und Gutsherr" veröffentlicht. Petra Heymach verfügt mit den Materialien des Familienforschers Ingo Erhart über eine Vielzahl von Dokumenten zum Maler Achim von Arnim-Bärwalde und Bettina Encke von Arnim. Und Petra Maisak eilt sowieso der Ruf einer anerkannten "Ausstellungsmacherin" voraus. Dieser Sachverstand wird fehlen.
Die derzeitige Präsentation in Wiepersdorf macht erschreckend deutlich, dass sie im Prinzip vor einem Vierteljahrhundert geschaffen wurde. Es fehlt ein Konzept, dass den ideellen, musealen und performativen Bedingungen von Wiepersdorf entspricht. Statt sich an den Eckpunkten zu orientieren, Dichter und Landwirt Ludwig Achim von Arnim, Bettina von Arnim zwischen Berlin und Wiepersdorf, Maler Achim von Arnim-Bärwalde, Wandlung von Gutshof zum Herrenhaus, Bettina Encke von Arnim 1945-1947, Deutschen Dichterstiftung, Künstlerheim, Künstlerhaus, halten dort draußen "Kunstgewerbe" und "Events" Einzug. Beispiele dafür finden Sie auf den nachfolgenden Links:
Website Wiepersdorf
Website Ute Schirmack
http://uteschirmack.de/die-bettina-tasche/
Website Waltraud Zinsser
https://werkstattatelier.wordpress.com/2013/04/13/schloss-wiepersdorf/