Das Schild befand sich noch im April 1992 am Haupteingang von Wiepersdorf. Dahinter, unmittelbar vor dem Herrenhaus, gab es noch den gepflasterten "Appellplatz" mit dem Blumenbeet und den den beiden Fahnenmasten, an denen allerdings nicht mehr wie einst die Rote Fahne (links) und die DDR-Fahne (rechts) mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz gehisst waren.
Für den Kunsthistoriker Joachim Fait (1921-1993) war im Jahr 1968 „im Verhältnis zu anderen märkischen Parkanlagen die in Wiepersdorf ungewöhnlich reich mit steinernen Bildwerken ausgestattet. Es fällt auf, dass sie insgesamt nicht ganz einheitlich sind, sondern sich gruppenweise oder einzeln, sowohl im Material und in den Maßen als auch qualitativ und inhaltlich voneinander unterscheiden. Auch die Entstehungszeit ist unterschiedlich.
In der schöngeistigen Literatur um den Musensitz Wiepersdorf tauchen mitunter gefühlvolle Beziehungen zwischen Bettina und diesen Bildwerken auf. Aber um der historischen Treue willen: Bettina von Arnim hat die Statuen nie gekannt. Das geht denn auch deutlich genug hervor aus den Lebenserinnerungen von Bettinas ältester Tochter Maximiliane (1818-1894), wo es heißt, dass Achim von Arnim-Bärwalde „den Garten zu einem wohlgepflegten Park mit einem großen Orangeriegebäude und vielen imposanten Barockstatuen gestaltet" habe.
Das sicherste Zeugnis sind die Briefe von Achim, die er aus Italien an den Vetter Moritz von Baumbach gerichtet hat, der Wiepersdorf während seiner Abwesenheit verwaltete: Im März 1887 schreibt er aus Rom, er suche dort „bei Gelegenheit eine oder die andere Büste als Schmuck für den Garten", einen Monat später kündigt er an, daß Vasen ankommen müssten, aus Venedig äußert er sich im Juni 1889 erfreut über die glückliche Ankunft der „Berliner Statuen" in Wiepersdorf, und im Juli des gleichen Jahres macht er in Venedig einen besonderen Fang: „Um dir einen kleinen Schrecken einzujagen, teile ich Dir mit, daß ich hier noch zehn Statuen und vier sehr schöne Vasen gekauft habe", die Figuren hätten genau die Größe der schon in Wiepersdorf vorhandenen, „nur sind sie schöner und besser erhalten".
Um das Parterre herum stehen auf hohen Sockeln Bildwerke aus der griechischen und römischen Mythologie. Zehn tragen auf der Grundplatte die barock-italienischen Namen, sehr wahrscheinlich sind es die in Venedig erworbenen Statuen:
VIRTVNO: Offenbar eine altrömische Personifikation von Mannestum, Tugend und Tatkraft (von „virtus“), die Verwandtschaft mit Paris, der den Streit der Göttinnen Hera, Aphrodite und Athene um den Preis der Schönheit entschied, durch das Attribut des Apfels angedeutet.
POMONA: Die altitalienische Gottheit der Baumfrüchte
MELEAGRO: Meleagros, Meleager, der nach der griechischen Sage den Kalydonischen Eber erlegte, daher meist mit dem Eberkopf dargestellt, hier mit Köcher und Jagdhund.
ETERNITA: Personifikation des Ewigen, Unsterblichen.
SATVRNO: Der dem griechischen Kronos gleichgesetzte altrömische Gott Saturn, mit der Sense als Zeichen des Vergänglichen.
APOLO: Apoll, der griechische Gott des Lichtes, der Dichtung und der Musik, hier mit einer Laute anstatt der sonst üblichen Leier.
ORFEO: Orpheus, der sagenhafte griechische Sänger, der durch seine Musik die Natur verzauberte, mit einer Geige als Attribut.
MARTE: Mars, der römische Kriegsgott.
PALADE: Pallas Athene, die Tochter des Zeus, am Gorgonenschild zu erkennen.
SCERE: Ceres, die römische Göttin des pflanzlichen Wachstums, Sinnbild des Sommers mit einem Füllhorn voller Früchte, hier eingereiht in die Jahreszeitdarstellungen im Halbrund westlich vom Parterre.
Nur als Fragment erhalten ist die Figur eines Faun, des altrömischen Fruchtbarkeitsgottes, dem griechischen Pan gleichgesetzt, zu identifizieren an den Bocksbeinen. Parkeinwärts am Quergang als Pendants Leda, die Geliebte des Zeus, der sie als Schwan besuchte, und Aphrodite, die durch den Delphin gekennzeichnete griechische Liebesgöttin. Dahinter im Halbrund die vier Jahreszeiten: der Winter als alte Frau mit Holzbündel und Blasebalg, zu den Füßen ein Bär, der vor Hunger an den Pfoten saugt, daneben der Frühling als Mädchen mit Blumen, dann die schon erwähnte Ceres, und der Herbst, zwar nicht als Bacchus bezeichnet, aber wie er durch Weintrauben kenntlich gemacht. In der Mittelachse des Parks, in respektvolle Ferne gerückt, Zeus bzw. Jupiter (eine Kopie), in seiner Rechten gebündelte Blitze als Waffe (Das Original steht in der Orangerie). Den Bestand an plastischen Bildwerken vervollständigen einige kleinere Figuren an mehr oder minder motiviertem Standort, so ein Apoll auf einem mit Medaillons in Flachrelief geschmückten Sockel, Hermenpilaster oder etwa die Marmorfigur eines römischen Knaben.“
Bevor die Besucher das Gartenparterre mit den Skulpturen erreichen, staunen sie erst einmal über die fünf im Halbrund platzierten Figuren vor dem Atelier. Diese verwachsenen, zwergenhaften Steinmenschen werden Callot-Figuren genannt, benannt nach dem Zeichner und Radierer Jacques Callot (1592-1635). In Florenz arbeitete er für die Familie von Medici, dokumentierte die Gestalten der Commedia dell’arte, skizzierte das florentinischen Zwergentheater, wo halbwüchsige Hofnarren im Zustand der Trunkenheit zur allgemeinen Unterhaltung und Belustigung beitrugen. Die mit Akkuratesse gefertigten Zeichnungen wurden in Europa berühmt, vor allem der Zyklus „Varie figure gobbi" (italienisch „gobbo“ Buckel bzw. als Adjektiv buckelig). Kaum war 1716 die 50 Blatt umfassende Folge von Kupferstichen „Il Callotto resuscitato oder Neu eingerichtetes Zwerchen-Cabinet“ erschienen, entstanden in den Manufakturen groteske Zwergenskulpturen, oft genug dann auch extrem ausgeführt, übergroße Glieder, nackte Hintern, üppige Brüste, eindeutige Stellungen. Sie erfreuten sich großer Beliebtheit.
E.T.A. Hoffmann, der Dichter, war eher von den originalen Blättern von Jaques Callot fasziniert. Er sah in „dessen phantastischem Realismus eine Seelenverwandtschaft. Daraus entstand 1814/15 sein Aufsatz „In Callot’s Manier“:
„Kein Meister hat so wie Callot gewusst, in einem kleinen Raum eine Fülle von Gegenständen zusammenzudrängen, die ohne den Blick zu verwirren, neben einander, ja ineinander hinaustreten, so dass das Einzelne als Einzelnes für sich bestehend, doch dem Ganzen sich anreiht … Indessen geht seine Kunst auch eigentlich über die Regeln der Malerei hinaus, oder vielmehr seine Zeichnungen sind nur Reflexe aller der fantastischen wunderlichen Erscheinungen, die der Zauber seiner überregen Fantasie hervorrief."
Wie und wo auch immer der Maler Achim von Arnim-Bärwalde auf diese Figuren aufmerksam wurde, sie weckten sein Interesse. Die Herkunft ist ungeklärt, auch in den ziemlich umfangreichen Gutsakten des Brandenburgischen Landeshauptarchivs (BLHA) findet sich kein Hinweis. So müssen wir uns vorerst damit begnügen, dass Achim die Figuren a la Callot erwarb. 1881 wurden sie in Wiepersdorf angeliefert und aufgestellt. Mal vor dem Eingang zu Atelier, mal dort. Es ist davon auszugehen, dass die derzeitige Aufstellung auf die Eröffnung der „Arbeits- und Erholungsstätte für Schriftsteller und Künstler ‚Bettina von Arnim‘“ am 10. Mai 1980 zurückzuführen ist.
Während der Recherchen fanden wir auf der Website des „Museums der unerhörten Dinge“ (https://museumderunerhoertendinge.de) einen Text von Roland Albrecht (geboren 1950 in Memmingen im Allgäu). Wir übernehmen diesen frei erfundenen, erdichteten und witzigen Beitrag mit freundlicher Genehmigung des Autors Roland Albrecht.